Ist der Platz noch frei?

Kapazitätsrecht und zulassungsbeschränkte Studiengänge

Angela Borgwardt: Ist der Platz noch frei? – Kapazitätsrecht und zulassungsbeschränkte Studiengänge. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung 2019.

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Inhalt

Das Kapazitätsrecht enthält Regelungen, mit denen das Ausbildungsvolumen einer staatlichen Hochschule festgestellt werden kann: Mit einem bestimmten Berechnungsverfahren wird die Höchstzahl der Studienberechtigten ermittelt, die an einer Hochschule in einem bestimmten Studiengang mit dem Studium beginnen können. Für zulassungsbeschränkte Studiengänge, in denen die Studierendennachfrage größer ist als das Lehrangebot, sind die errechneten Studienplatzkapazitäten von entscheidender Bedeutung.

Allerdings wirkt sich das Kapazitätsrecht nicht nur auf die Zulassungszahlen, sondern auch auf andere Bereiche des Hochschulsystems aus. So werden kapazitätsrechtliche Regelungen immer wieder als Hindernis für eine höhere Lehrqualität, bessere Betreuungsverhältnisse und eine Profilbildung der Hochschulen genannt. Kritiker_innen betrachten das damit verbundene Berechnungssystem als zu bürokratisch und nicht mehr zeitgemäß. Manche fordern eine Weiterentwicklung, andere die Abschaffung des Kapazitätsrechts.

In dieser Publikation wird ein Überblick über die derzeitige Situation gegeben und der Reformbedarf des Kapazitätsrechts in den Blick genommen: Welche Funktionen hat das Kapazitätsrecht für zulassungsbeschränkte Studiengänge und welche Veränderungen sollten in Angriff genommen werden?

Wichtige Ergebnisse

Kritik am Kapazitätsrecht

Viele Wissenschaftsakteure und Hochschulrechtler*innen konstatieren einen Reformbedarf des Kapazitätsrechts. Zentrale Kritikpunkte lauten, dass das CNW-Berechnungsverfahren zu bürokratisch, kompliziert, unflexibel und intransparent ist. Vor allem verhindere die Kopplung von personellen Lehrkapazitäten und Aufnahmeverpflichtung der Hochschule grundsätzlich eine Verbesserung der Betreuungsrelationen und der Lehrqualität: Zusätzliche Mittel, die für eine höhere Studienqualität eingesetzt werden könnten, z.B. durch mehr Personal oder kleinere Lerngruppen, würden automatisch zur Verpflichtung der Hochschule führen, mehr Studienanfänger*innen aufzunehmen. In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 1980 war es den Hochschulen untersagt worden, bei der Festsetzung der Kapazität „unzulässige Niveaupflege“ zu betreiben, indem sie sich an idealen Ausbildungsverhältnissen orientieren: Investitionen in die Studienqualität dürften nicht zulasten der Aufnahme neuer Studierender gehen. Auch wird darauf hingewiesen, dass das CNW-Berechnungsverfahren kein objektives Parametersystem ist, sondern auf normativen Festlegungen beruht. Dies habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass die Länder als Finanzträger öffentlicher Hochschulen die Aufnahmekapazität kostenneutral erhöhen konnten, ohne gleichzeitig das Lehrangebot durch zusätzliche Stellen auszubauen. So konnte z.B. der CNW in einem Studiengang abgesenkt und dadurch die Kapazität erhöht werden, indem der Anrechnungsfaktor einer Lehrveranstaltung reduziert wurde.

Im hochschulpolitischen Diskurs wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Kapazitätsrecht den gegenwärtigen Anforderungen des Hochschulsystems nicht mehr gerecht werde: Die Kapazitätsverordnung (KapVO) beruhe auf dem Prinzip der Gleichheit der Hochschulen und auf zentraler Steuerung über das CNW-System. Dies widerspreche dem Paradigmenwechsel im Hochschulsystem in den letzten zwanzig Jahren durch die Etablierung der Bachelor-Master-Studienstruktur im Zuge des Bologna-Prozesses, der Ausdifferenzierung des Hochschulsystems und der zunehmenden Autonomie und gewünschten Profilbildung der Hochschulen sowie den modernen Steuerungsinstrumenten im Haushalt (Globalbudget, Zielvereinbarungen) und in der Personalbewirtschaftung. Aufgrund der Studienplatzklagen und „unberechenbaren“, keineswegs bundeseinheitlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte stünden kapazitätsrechtliche Regelungen auch der notwendigen Planungssicherheit der Hochschulen entgegen. Die Forderungen reichen von einer Anpassung über eine grundlegende Reformierung bis hin zur Abschaffung des Kapazitätsrechts.

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