Profilbildung jenseits der Exzellenz

Neue Leitbilder für Hochschulen

Angela Borgwardt: Profilbildung jenseits der Exzellenz. Neue Leitbilder für Hochschulen (Schriftenreihe Hochschulpolitik Bd. 6). Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Abt. Studienförderung 2013.

Link zur Publikation

Inhalt

Im letzten Jahrzehnt hat sich die deutsche Hochschullandschaft stark verändert. Wesentliche Kennzeichen dieser Entwicklung sind Differenzierung und Profilbildung der Hochschulen. Die Publikation widmet sich der Frage, wie dieser Prozess weiter befördert werden kann. Dabei werden beispielhaft Hochschulen vorgestellt, die bereits ein spezifisches Leitbild und Profil entwickelt haben. Darüber hinaus werden Herausforderungen für Hochschulen und Wissenschaftspolitik in diesem Prozess benannt.

Wichtige Ergebnisse

Handlungsempfehlungen

Differenzierung des Hochschulsystems vorantreiben:

Die Differenzierung des deutschen Hochschulsystems sollte in verschiedenen Dimensionen vorangetrieben werden, um seine Zukunftsfähigkeit zu sichern: Ein ausdifferenziertes Hochschulsystem kann sich flexibler an sich verändernde gesellschaftliche Anforderungen anpassen und für die Studierenden ein breiteres Angebotsspektrum bereithalten. Die Hochschulen können sich besser auf ihre Stärken konzentrieren und so ihre Leistungsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

Funktionale Differenzierung verstärken:

Im letzten Jahrzehnt hat die Exzellenzinitiative die vertikale Differenzierung im deutschen Hochschulsystem verstärkt, indem hierarchisch zwischen Leistungsstärkeren und Leistungsschwächeren unterschieden wurde. Damit alle  Hochschulen den wachsenden und vielfältiger werdenden Aufgaben gerecht werden können, sollte in Zukunft verstärkt eine horizontale bzw. funktionale, aufgabenorientierte Differenzierung verfolgt werden. Das bedeutet, dass die Hochschulen jeweils eigene Schwerpunkte setzen und individuelle Profile entwickeln.

Vielfältige Hochschulprofile entwickeln:

Die Profilbildung der Hochschulen sollte sich nicht vorrangig an einer einzigen Leistungsdimension – der (Spitzen-)Forschung – orientieren, sondern auch andere Schwerpunkte setzen. Mögliche profilbildende Merkmale sind z. B. Wissenstransfer, praxisnahe Ausbildung, Fort- und Weiterbildungsangebote, regionale Einbindung, Schwerpunkt auf der Lehre, Internationalität etc. Im Hochschulsystem gibt es noch zahlreiche unentfaltete Reserven, insbesondere jenseits der Exzellenzuniversitäten. Hochschulen haben unterschiedliche Stärken und können in vielen unterschiedlichen Feldern Exzellenz entwickeln, die es bewusst wahrzunehmen und zu fördern gilt.

Gute Lehre als profilbildendes Element stärken:

Aufgrund der strukturellen Unterfinanzierung der Hochschulen hat eine einseitige Ausrichtung an der Leistungsdimension Forschung negative Folgen, weil jede Priorisierung von Forschungsexzellenz die Gefahr birgt, dass für die Ausbildungsqualität weniger Mittel vorhanden sind. Um Qualität in der Breite zu sichern, muss die Lehre künftig mehr Gewicht erhalten, auch in der Profilbildung von Hochschulen. Zwar ist inzwischen eine Bewegung in Richtung guter Lehre zu beobachten, etwa durch den Qualitätspakt Lehre. Die Anstrengungen auf diesem Gebiet müssen aber noch deutlich gesteigert werden.

Förderpolitik an Vielfalt ausrichten:

Zur Unterstützung einer funktionalen Ausdifferenzierung des Hochschulsystems muss ein Anreizsystem etabliert werden, das der gewünschten Vielfalt in der Breite des Hochschulsystems gerecht wird und dafür sorgt, dass sich unterschiedliche Leitbilder und Profile der Hochschulen auch herausbilden können. Die Länder sollten in ihrer Förderpolitik die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Potenziale der jeweiligen Hochschule berücksichtigen, differenzierte Förderindikatoren zugrunde legen und unterschiedliche Zielvereinbarungen mit den Hochschulen schließen: Nicht Homogenität, sondern Diversität muss sich lohnen.

Gemeinsame Hochschulfinanzierung von Bund und Ländern ermöglichen:

Damit ein hoher Qualitätsstandard an deutschen Hochschulen in der Breite möglich ist, muss die strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen beseitigt und für eine ausreichende Grundfinanzierung gesorgt werden. Die Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel bedarf einer Kooperation von Bund und Ländern zur dauerhaften Finanzierung von Hochschulen. Da diese Möglichkeit seit der Föderalismusreform verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist, bedarf es einer Aufhebung des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern im Grundgesetz: Nur über eine solche Verfassungsänderung kann die erforderliche gemeinsame Finanzierung aller Hochschulen dauerhaft erreicht werden.

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