Leitlinien des zukünftigen Wissenschaftssystems

Angela Borgwardt: Leitlinien des zukünftigen Wissenschaftssystems. Grundforderungen, Gemeinsamkeiten und Widersprüche (Schriftenreihe des Netzwerk Exzellenz an Deutschen Hochschulen Bd. 8). Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Abt. Studienförderung 2014.

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Inhalt

Die Publikation beschäftigt sich mit der Frage der Neuordnung des deutschen Wissenschaftssystems, wenn die zeitlich befristeten Programme des Bundes im Bereich Wissenschaft und Forschung auslaufen (Exzellenzinitiative, Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation). In diesem Rahmen müssen grundsätzliche Fragen der Finanzierung und der strukturellen Ausgestaltung geklärt werden. Zahlreiche Wissenschaftsakteure haben Vorschläge veröffentlicht, wie das deutsche Wissenschaftssystem künftig ausgerichtet werden soll. Wo besteht Einigkeit, welche gemeinsamen Ziele können identifiziert werden und welche Widersprüche sind noch aufzulösen? Zunächst werden die übergreifenden Aufgaben benannt, über die weitgehend Konsens besteht, anschließend werden die verschiedenen Forderungen in thematischen Abschnitten dargestellt.

Themenschwerpunkte sind unter anderem: Grundfinanzierung der Hochschulen und Planungssicherheit, Gute Lehre an Hochschulen, Hochschulpakt 2020, verlässliche Karrierewege an Hochschulen, Forschungsfinanzierung, zukünftige Spitzenforschung, europäische Forschungsallianzen und internationaler Wettbewerb, Profile von Hochschulen, Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Wissenschaftsfinanzierung.

Wichtige Ergebnisse

Hochschulen als Organisationszentren der Wissenschaft stärken:

Hochschulen stehen im Mittelpunkt des Wissenschaftssystems und nehmen eine konstitutive Rolle ein, weil sie das gesamte Wissensdreieck von Forschung, Bildung und Innovation abbilden. Sie leisten unmittelbaren Wissenstransfer über Köpfe. Damit sie ihre Aufgaben in einer Wissensgesellschaft auch in Zukunft zuverlässig wahrnehmen können, ist eine gesicherte, deutlich höhere Grundfinanzierung unverzichtbar. Ein wichtiges Ziel ist dabei die Stabilität und Langfristigkeit und somit auch die Planbarkeit und Verlässlichkeit der Hochschulfinanzierung.

Abstimmung der Wissenschaftsakteure erreichen:

Die Wissenschaftsorganisationen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollten stärker zusammenarbeiten, ihre Strategien und Konzepte besser aufeinander abstimmen. Zudem wäre es sinnvoll, insbesondere gegenüber Öffentlichkeit und Politik mit einer Stimme zu sprechen oder zumindest eine gemeinsame Orientierung zu vertreten. Auch im europäischen Zusammenhang wäre ein gemeinsames Auftreten der deutschen Wissenschaftsakteure von großem Vorteil.

Gemeinsame Ziele herausarbeiten:

Es wäre wichtig, dass nicht nur Partikularinteressen betrachtet und Einzellösungen gesucht werden, sondern dass sich alle Akteure im Wissenschaftssystem übergreifender Interessen bewusst werden und gemeinsame Ziele verfolgen. Es sollte verstärkt institutionenübergreifend gedacht und das gesamte Wissenschaftssystem in den Blick genommen werden. Wichtige gemeinsame Ziele könnten internationale Sichtbarkeit, Internationalisierung und Innovationsfähigkeit sein.

Internationalisierung als Herausforderung annehmen:

Deutschland hat sich im internationalen Wettbewerb schon eine gute Position erarbeitet, muss sich aber noch verbessern. Notwendig ist zum Beispiel eine gezielte Außenwissenschaftspolitik, insbesondere im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Strategie. Es sollte darüber nachgedacht werden, welche europäische Arbeitsteilung und Kooperation bei der Bearbeitung wichtiger Fragen in Bezug auf Internationalisierung und bei der Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen (grand challenges) sinnvoll ist.

Öffentliche Debatte über das Wissenschaftssystem führen:

Das Wissenschaftssystem hat eine hohe gesellschaftliche Relevanz, nimmt in der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion aber noch nicht den adäquaten Stellenwert ein. In Wissenschaft und Öffentlichkeit sollte konstruktiv darüber diskutiert werden, wie das Wissenschaftssystem künftig ausgestaltet werden soll und wie dieser Prozess zu organisieren ist. Zu einer offenen Diskussion gehört, dass die Wissenschaftsakteure neben den Gemeinsamkeiten auch Widersprüche und Differenzen ihrer Vorstellungen klar benennen.

Erforderliche Mittel verdeutlichen:

Um international wettbewerbsfähig zu sein, braucht Deutschland in einigen Bereichen des Wissenschaftssystems sowohl quantitative als auch qualitative Verbesserungen, die nur mit zusätzlichen Finanzmitteln erreichbar sind. Die Wissenschaftsorganisationen sollten die erforderlichen Mittel selbstbewusst einfordern und dies gegenüber Politik und Öffentlichkeit als Investition in die Zukunftssicherung begründen. Dabei sollten konkrete Zahlen und Größenordnungen sowie der Zeithorizont benannt werden, wann welche Mittel für welche Zwecke benötigt werden. Die pauschale Forderung nach „mehr Geld“ allein reicht nicht.

Prioritäten und Posterioritäten setzen:

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Finanzierung des Wissenschaftssystems gänzlich im erforderlichen Maß verbessert wird. Vielmehr wird es eine Herausforderung sein, die vorhandenen Mittel nach dem Auslaufen der Pakte im Wissenschaftssystem zu halten. Vor diesem Hintergrund muss auch die aktuelle Verteilung der Finanzmittel unvoreingenommen analysiert werden. Im Sinne einer Gesamtstrategie sind Prioritäten und Posterioritäten zu setzen, über die sich Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsorganisationen verständigen müssen.

Wege der Umsetzung einbeziehen:

Bei der Entwicklung von Ideen zur künftigen Gestaltung des Wissenschaftssystems ist auch zu bedenken, wie die Vorschläge finanziert und politisch umgesetzt werden können. Die zahlreichen Fragen können nicht auf einmal beantwortet werden. Für die Umsetzung wäre deshalb eine Zeitleiste in der Entscheidungsfolge sinnvoll: Bis wann muss welche Frage mit welcher Logik entschieden werden? Der Prozess muss schrittweise aufgebaut und für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden.

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