Hochschulräte und Hochschulsteuerung

Zwischen Beratung und Kontrolle

Angela Borgwardt: Hochschulräte und Hochschulsteuerung. Zwischen Beratung und Kontrolle (Schriftenreihe Hochschulpolitik Bd. 7). Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung, Abt. Studienförderung 2013.

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Inhalt

Der Hochschulrat wurde als Leitungsgremium einer Hochschule Ende der 1990er Jahre eingeführt und ist inzwischen in den Hochschulen fast aller Bundesländer etabliert. Ein einheitliches deutsches Modell des Hochschulrats existiert jedoch nicht. In den Landesgesetzen variieren die Vorgaben sehr stark, sowohl in Bezug auf Kompetenzen und Aufgaben (Beratungs-, Entscheidungs- und Kontrollfunktionen) als auch hinsichtlich der Zusammensetzung dieses Gremiums. Die Hochschulräte unterscheiden sich deshalb in den Bundesländern erheblich, bis hin zur Bezeichnung: In einigen Ländern heißen sie Universitätsrat, Kuratorium oder auch Aufsichtsrat.

In der Publikation wird dargestellt, welche Erfahrungen es bisher mit Hochschulräten gibt, welche Strukturen sich bewährt haben und welche Probleme bestehen. Die wesentliche Frage ist, wie das Steuerungsinstrument Hochschulrat in Zukunft gestaltet bzw. weiterentwickelt werden sollte.

Wichtige Ergebnisse

Hochschulräte bestehen entweder nur aus hochschulexternen Mitgliedern oder setzen sich aus internen und externen Mitgliedern zusammen. Die Mehrheit der externen Hochschulratsmitglieder stammt aus den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft, ein kleinerer Teil aus Verwaltung, Kultur, Politik und Interessengruppen. Die Grundkonzeption des Hochschulrats sieht vor, dass seine Mitglieder nicht als Interessenvertretungen von Verbänden oder Organisationen ausgewählt werden, sondern als herausragende Einzelpersönlichkeiten, die aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse eine Hochschule unterstützen können.

Ein Hochschulrat übernimmt im Wesentlichen drei Grundfunktionen:

  • aus externer Perspektive die Anliegen der Gesellschaft in die Hochschule hineintragen,
  • gegenüber der Hochschulleitung ehemals beim Staat verortete Aufsichtsfunktionen übernehmen,
  • die Hochschule auf Basis der Expertise und des Erfahrungshintergrundes der in ihm versammelten Persönlichkeiten in ihrer strategischen Entwicklung als Gesamtheit beraten und unterstützen.

Mit diesen Funktionen übernimmt der Hochschulrat eine zentrale Rolle für die Entwicklung und nachhaltige Steuerung der jeweiligen Hochschule.

Die Einführung der Hochschulräte steht im Kontext der Etablierung eines neuen Steuerungsmodells an Hochschulen, das auf eine Neugestaltung des Verhältnisses von Staat und Hochschule abzielt. Zentraler Aspekt ist die Stärkung der institutionellen Autonomie der Hochschulen, um ihnen eine größere Unabhängigkeit vom Staat bzw. mehr Handlungsfreiräume zu geben. Bisherige staatliche Kompetenzen werden in die Hochschulen verlagert, vor allem Finanzverantwortung und Entscheidungskompetenzen im Hinblick auf die Leitungs- und Organisationsstrukturen und des Profils einer Hochschule. Die Autonomisierung der Hochschulen soll dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen zu stärken, mehr Effektivität und Effizienz sowie eine größere Öffnung der Hochschulen gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen.

Im Zuge der Umgestaltung der Leitungsstrukturen an Hochschulen stellen Hochschulräte eine Art Zwischeninstanz zwischen Hochschulen und Staat dar. Der Hochschulrat erhielt Kompetenzen, die vormals dem Ministerium und dem akademischen Senat zustanden. In den meisten Bundesländern wurde die Einführung des neuen Gremiums davon begleitet, die Hochschulleitung deutlich zu stärken und die Kompetenzen des Hochschulsenats auf rein akademische Angelegenheiten zu beschränken; insgesamt wurde das Steuerungs-, Kommunikations- und Entscheidungsgefüge innerhalb der Hochschulen rechtlich neu austariert. Das Gremium Hochschulrat ist vor allem Ausdruck eines politisch gewollten Wandels im Verhältnis zwischen Hochschule und Staat.

Die Einführung des Hochschulrats wurde in öffentlichen Debatten kontrovers aufgenommen. Kritisiert wurde zum Beispiel, dass es dem Hochschulrat an demokratischer Legimitation und Transparenz fehle. Die bisherigen Erfahrungen würden zeigen, dass wirtschaftliche Interessen in Hochschulräten dominierten: Die vielfältigen gesellschaftlichen Gruppen seien in diesem Gremium ebenso wenig abgebildet wie die verschiedenen Statusgruppen der Hochschulen. Bemängelt wurde auch mangelnde Sachkompetenz und zu große Parteilichkeit der externen Hochschulratsmitglieder. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt lautet, dass Hochschulräte in ihrer Doppelfunktion die Hochschulleitungen sowohl beraten als auch kontrollieren sollen. Dies führe letztlich dazu, dass Hochschulleitungen nicht mehr wirksam kontrolliert werden können. Angesichts des Machtzuwachses der Hochschulleitungen im Zuge der Autonomisierung der Hochschulen sei dies als besonders problematisch einzustufen.

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