Wissenschaftsbewertung – Reformvorschläge

Angela Borgwardt: Wissenschaftsbewertung – Wie kann sie reformiert werden?, Reihe „Eine Stunde für die Wissenschaft“, Paper No. 10, Berlin 2023.

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Inhalt

Die Frage, wie Wissenschaft angemessener bewertet werden kann, wird gegenwärtig in Deutschland und im europäischen Kontext verstärkt diskutiert. Dahinter steht die Erkenntnis, dass zukunftsfähige Wissenschaft qualitätsbewusst und verantwortungsvoll sein muss, um ihre wichtigen Aufgaben für die Gesellschaft wahrnehmen zu können.

Gegenwärtig zeigen sich bei der Wissenschaftsbewertung aber gravierende Defizite bedingt durch die Dominanz quantitativer und bibliometrischer Indikatoren, die der Vielfalt und den Inhalten wissenschaftlicher Leistungen nicht gerecht werden. Die damit verbundenen Fehlanreize wirken sich negativ auf das gesamte Wissenschaftssystem aus und gefährden die Qualität von Wissenschaft.

Das vorliegende Papier skizziert die problematischen Auswirkungen des derzeitigen Systems, versammelt Vorschläge für eine adäquatere Wissenschaftsbewertung und gibt Empfehlungen für die Umsetzung von Reformen, die dazu beitragen können, dass wissenschaftliche Erkenntnisse der Gesellschaft besser als aktuell zugute kommen.

Wichtige Ergebnisse

Empfehlungen für den Reformprozess

  1. Orientierung der Bewertung an Inhalt und Vielfalt

Das Bewertungssystem in der Wissenschaft muss vor allem in zwei Aspekten verändert werden: Erstens muss eine Bewertungskultur etabliert werden, in der die inhaltliche Qualität von Wissenschaft die entscheidende Rolle spielt. Geeignete quantitative Indikatoren sollten unterstützend herangezogen werden. Die Qualität von Forschung kann nur adäquat beurteilt werden, wenn Fachgutachter:innen in Peer-Review-Prozessen die Inhalte, Methoden und Ergebnisse der Forschung konkret bewerten und den gesamten akademischen Lebenslauf der Wissenschaftler:innen einbeziehen. Zweitens muss mehr Raum geschaffen werden für eine größere Diversität des Outputs wissenschaftlichen Arbeitens, für unterschiedliche wissenschaftliche Karrieren und ein breiteres Spektrum der Leistungen von Wissenschaft in Bezug auf Personen, Projekte und Institutionen.

  1. Aufklärung und gemeinsames Engagement für Reformen

Es gilt, in der wissenschaftlichen Community das Bewusstsein für den notwendigen Kulturwandel in der Bewertungs- und Begutachtungspraxis zu erhöhen und Vorbehalte unter Wissenschaftsakteur:innen abzubauen. Veränderungen im Bewertungssystem sollten von allen Akteur:innen, die an Wissenschaftsbewertung beteiligt sind, getragen und von diesen auch aktiv mitgestaltet werden. Die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA) auf europäischer Ebene bietet einen guten Rahmen, um den Kulturwandel voranzutreiben, indem sich Wissenschaftsakteur:innen austauschen, gemeinsam geeignete Kriterien und Verfahren entwickeln und in den einzelnen Wissenschaftsinstitutionen sukzessive umsetzen. Es ist wichtig, über die Ziele der CoARA aufzuklären und möglichst viele Organisationen und Institutionen zur Mitarbeit zu motivieren, weil eine angemessenere Kultur der Wissenschaftsbewertung nur auf Grundlage einer hohen Akzeptanz dieses Ansatzes in den wissenschaftlichen Communitys breit verankert werden kann.

  1. Langfristiger Prozess und kontinuierliche Weiterentwicklung

Eine wirkliche Transformation der Wissenschaftsbewertung kann nur gelingen, wenn die neuen Impulse in Handlungsstrukturen und geeignete Verfahren übersetzt werden, die der Komplexität und den Zielen der Wissenschaftsbewertung angemessen sind. Das Agreement on Reforming Research Assessment (ARRA) kann hinsichtlich der Bewertungspraxis eine übergreifende Orientierung geben. Auf deren Grundlage können in den einzelnen Organisationen und Institutionen dann neue Bewertungsverfahren etabliert werden, die auf die jeweiligen Forschungsfelder, Disziplinen, Forschungsthemen und den Zweck der Forschungsbewertung zugeschnitten sind. Ein Kulturwandel der Bewertung im Wissenschaftssystem braucht viele institutionelle und strukturelle Veränderungen und ist als längerer Prozess zu denken, der schrittweise verwirklicht wird. Kriterien, Indikatoren und Verfahren der Wissenschaftsbewertung müssen stetig weiterentwickelt, das heißt, regelmäßig kritisch reflektiert und bei Bedarf modifiziert werden, um das Bewertungs- und Begutachtungssystem immer wieder an neue Entwicklungen in Wissenschaft und Gesellschaft anzupassen.

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